#WASISTDRAN Mutterschutz und Fehlgeburt
Das eigene Kind während der Schwangerschaft zu verlieren, ist für Mütter oftmals ein traumatisches Erlebnis und kann sowohl körperlich als auch psychisch sehr belastend sein. Doch nicht alle Frauen haben in diesem Fall Anspruch auf Mutterschutz. Christophe Heyer, Fachexperte im Bereich Leistungen und Mutterschutz bei der IKK Südwest, klärt wichtige Fakten zum Thema Fehlgeburt und Mutterschutz, prüft aufgestellte Behauptungen und erläutert, warum eine gesetzliche Anpassung unbedingt notwendig ist.
1. Es gibt keinen Unterschied zwischen einer Fehlgeburt und einer Totgeburt.
Doch den gibt es – und der ist entscheidend bei der Frage, ob man Anspruch auf Mutterschutz hat oder nicht. Um eine Totgeburt handelt es sich, wenn das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde. Liegt jedoch keines dieser Merkmale vor, spricht man von einer Fehlgeburt.
Eine Fehlgeburt ist abweichend hiervon dann als Totgeburt zu beurkunden, wenn sie Teil einer Mehrlingsgeburt ist, bei der mindestens ein Kind lebend geboren wird oder mehr als 500 Gramm wiegt oder die 24. Schwangerschaftswoche erreicht.
Aus rechtlicher Sicht handelt es sich bei einer Totgeburt um eine Entbindung, sodass also auch alle Ansprüche nach dem Mutterschutzgesetz sowie dem SGB V (insbesondere Mutterschaftsgeld nach § 24i SGB V) bestehen. Im Fall einer Fehlgeburt bestehen diese Ansprüche nicht.
2. Eine Frau muss nach einer Fehlgeburt direkt wieder arbeiten gehen.
Ja, das stimmt. Die harte Unterscheidung zwischen Tot- und Fehlgeburt führt dazu, dass Mütter, die eine Fehlgeburt erleiden, schon am Folgetag nach einem solchen oft traumatischen Erlebnis wieder arbeiten müssen. Schützen kann sich eine Frau oft nur durch die Kontaktaufnahme zu einem Arzt, um sich krankschreiben zu lassen. Das ist aus Sicht der IKK Südwest weder körperlich noch psychisch zu verantworten. Hier hat der Gesetzgeber die Pflicht, betroffene Frauen besser gesundheitlich auch vor langfristigen Folgen zu schützen.
3. Nur ein Tag Unterschied kann darüber entscheiden, ob Anspruch auf Mutterschutz besteht.
Ja, das kann man so sagen. Der Anspruch auf Mutterschutz mit der harten Grenzziehung hängt oft auch vom Zufall, also vom Zeitpunkt des Arztbesuches, ab. Wer zum Beispiel bis zum Ende der 23. Woche der Schwangerschaft eine Fehlgeburt erleidet, hat keinen Anspruch, eine schwangere Frau, der dasselbe Schicksal nur einen Tag später, zu Beginn der 24. Schwangerschaftswoche, widerfährt, hat Anspruch auf 18 Wochen Mutterschutz.
4. Eine Krankschreibung vom Arzt ist bei einer Fehlgeburt völlig ausreichend.
Nein, ist es nicht. Die aktuelle Regelung berücksichtigt bei weitem nicht ausreichend die Situation der Eltern und insbesondere der Mutter nach dem tragischen Ereignis einer Fehlgeburt. Eine festgelegte Gramm- oder Wochenzahl sollte nicht darüber entscheiden, wer Anspruch auf Mutterschutz hat und damit bestimmen, wer sich als Mutter fühlen darf und wer nicht. Frauen sollten in die Lage versetzt werden, individuell und selbstbestimmt in einer solchen Ausnahmesituation zu entscheiden. Auch sollten Frauen die Möglichkeit haben, frei wählen zu können, ob sie früher in den Beruf zurückkehren möchten. All dies natürlich in Absprache mit dem Arbeitgeber. Die IKK Südwest spricht sich deshalb dafür aus, dass der Mutterschutz früher einsetzt als bisher und unterstützt damit die Petition nach der Einführung eines gestaffelten Mutterschutzes im Bundestag vom 15.07.2022.
5. Nur ein geringer Anteil an Frauen sind von der Regelung betroffen.
Das ist falsch – im Gegenteil: Eine Analyse der IKK Südwest zeigt, dass viele der sogenannten Sternenkinder, also Kinder, die vor oder während der Geburt versterben, bereits zeitlich vor der definierten Frist der 24. Schwangerschaftswoche im Krankenhaus entbunden werden müssen – und zwar in mehr als der Hälfte der Fälle. Das wiederum zeigt umso deutlicher, wie viele Frauen betroffen sind und wie notwendig daher eine Anpassung der aktuellen Gesetzeslage ist.